Neue Arbeitsmodelle: Was ist Holokratie?

Damit ein Team effektiv arbeiten kann, braucht es einen Vorgesetzten an der Spitze, der sagt, wo es lang geht – so die allgemeine Annahme. Dass es allerdings auch ganz anders funktionieren kann, zeigt das neue Arbeitsmodell Holokratie.

„Wir bieten: flache Hierarchien“ – mittlerweile kommt kaum eine Stellenausschreibung mehr ohne diese Phrase aus. Kein Wunder, denn Angestellte wollen nicht mehr nur das ausführen, was ihnen von anderen aufgetragen wird, sie wollen selbst entscheiden, Verantwortung übernehmen und Mitspracherecht haben. Ein Arbeitsmodell, dass diesen Ansatz sozusagen zum Maximalen steigert, ist die Holokratie. Die Idee dahinter: Jedes einzelne Teammitglied hat die gleichen Rechte, aber auch die gleichen Pflichten. Einen hierarchischen Anführer, der die Zügel in der Hand hält, gibt es nicht. Aber wie kann das funktionieren? Endet eine solche Arbeitsweise nicht früher oder später automatisch im Chaos?

Was bedeutet Holokratie?

Der Begriff „Holokratie“ lässt bereits auf den ersten Blick vermuten, dass es sich hierbei um eine „Wissenschaft für sich“ handelt. Das Wort stammt aus dem Griechischen und setzt sich aus den Bestandteilen holos für „vollständig“ oder „ganz“ und kratía für „Herrschaft“.

Holokratie beschreibt also die ganze oder vollständige Herrschaft aller – ohne einen einzelnen Herrscher an der Spitze.

Die Geschichte der Holokratie

Auch wenn der griechische Ursprung des Wortes vermuten lässt, dass es sich hierbei um ein uraltes Konzept handelt, ist das Prinzip der Holokratie noch verhältnismäßig jung. Als Begründer der Holokratie gilt der US-Amerikaner Brian Robertson. Der Unternehmer, der bekannt für seine modernen Ansätze und Experimentierfreude ist, war auf der Suche nach einer Methode zur besseren und schnelleren Entscheidungsfindung in vielschichtigen Unternehmen und Netzwerken. Aus Erfahrung wusste er nämlich ganz genau, dass es oftmals viel zu lang dauert, bis ein Entschluss von „unten“ nach „ganz oben“ durchgedrungen ist und abgesegnet wurde.

Um seinem eigenen Unternehmen mehr Transparenz und Agilität zu verleihen und den Mitarbeitern (noch) mehr Beteiligungsmöglichkeiten zu bieten, entwickelte Robertson Schritt für Schritt das Prinzip der Holokratie (oder auf Englisch: holacracy).

Wie funktioniert Holokratie?

Wenn sich ein Unternehmen dafür entscheidet, „holokratisch“ zu arbeiten, dann wird zunächst jedem Mitarbeiter eine Rolle (oder auch mehrere) zugewiesen. Klassische Hierarchie-Positionen werden im gleichen Zug abgebaut. Jeder steht sozusagen auf der gleichen Stufe. Außerdem werden Rollen, die miteinander an einem Projekt arbeiten oder für einen bestimmten Bereich zuständig sind, in einem Kreis zusammengefasst. Wird der Kreis zu groß, besteht die Möglichkeit, mehrere Unterkreise zu bilden.

Die Kreise funktionieren autark für sich und suchen – je nach Aufgabe – nicht nach perfekten, sondern nach umsetzbaren Lösungen für entsprechende Probleme. Neben diesen sogenannten operativen Treffen gibt es auch übergeordnete Steuerungstreffen, bei dem die Mitglieder des Kreises über die Optimierung der Betriebsstruktur sprechen. Themen wie Ressourcenknappheit und andere eventuelle Probleme werden dabei bewusst nicht angesprochen.

Lese-Tipp: Wenn Sie sich im Detail mit den Regeln und der Funktionsweise der Holokratie auseinandersetzen wollen, dann empfehlen wir Ihnen die Holacracy Constitution.

Damit die dezentrale Organisation im Unternehmen auch wirklich funktioniert, ist es wichtig, dass jeder Beteiligte die vier Säulen der Holokratie kennt und verinnerlicht:
  • doppelte Verbindung der Kreise: Jeder Kreis bestimmt zwei Vertreter, die in einen höheren und einen niedrigeren Kreis geschickt werden, um den ständigen Austausch untereinander zu gewährleisten und die Interessen des ursprünglichen Kreises zu vertreten.
  • Strikte Trennung von operativen und Steuerungstreffen: Während in den Steuerungstreffen über das „Wie?“ gesprochen wird, dienen die operativen Treffen der konkreten Umsetzung.
  • Klare Rollen und Zuständigkeiten: Das Prinzip der Holokratie sieht vor, dass jeder Akteur ganz genau weiß, was seine Aufgabe ist. Auch die anderen wissen durch die klare Vergabe von Rollen, was sie von ihren Kollegen erwarten können. Hierdurch bleiben Missverständnisse und Streitereien über Zuständigkeiten überschaubar. Wichtig zu wissen: Ein Mitarbeiter kann auch mehrere Rollen einnehmen und diese wechseln.
  • Dynamische Steuerung: Entscheidungen werden immer innerhalb des jeweiligen Kreises getroffen. In der Holokratie spricht man auch von der integrativen Entscheidungsfindung. Hierbei hat jeder Einzelne Mitspracherecht. Gesucht wird nicht die perfekte Lösung, sondern die, die am besten in der Praxis umgesetzt werden kann. Entpuppt sich die getroffene Entscheidung als falsch, kann sie jederzeit wieder korrigiert werden.
Wozu ist Holokratie gut?

Wird das Prinzip der Holokratie sauber und konsequent umgesetzt, können schon nach kurzer Zeit erste positive Veränderungen im Unternehmen festgestellt werden. Hierzu gehören:

  • schnellere Entscheidungsfindung / Agilität
  • maximales Einbeziehen aller Mitarbeiter
  • maximale Prozess-Transparenz
  • effizienteres Arbeiten durch klare Rollenvergabe
  • verbesserte Kommunikation durch die doppelte Verbindung
  • dynamischere Arbeitsprozesse

Bildquelle: g-stockstudio/Shutterstock